Die sich um die vielen Rapsfelder schlängelnde fast endlose Landstraße nun hinter mir gelassen, blickte ich auf die spitzen Berggipfel vor mir. Hier war das Ende des Beckens, welches die Bewohner ihre Heimat nannten. Vor dem hohen lag ein kleiner. Der Fuluo-Berg war früher ein beliebtes Ausflugziel. In heißen Quellen ließ sich baden, wenn man bereit war den weiten Weg auf sich zu nehmen und gleichzeitig über die nötigen Mittel verfügte. Ich stieg vor dem großen Platz des Touristencenters kurz ab und zog meinen Helm vom Kopfe. Mittlerweile fiel dieser Ort der Zeit zum Opfer. In den Städten abseits dieser Orte modernisierte sich alles so rasch, dass die neuen Gebäude von vor zehn Jahren wie Relikte aus alter Zeit wirkten. Ich zog die Zündung. An jenem heißen Tag konnte man die Wärme, die der Reihenzweizylinder abgab, noch bis auf mehrere duzende Meter weit spüren. Erwin sagte mir einst, in seiner Kindheit wäre ein derart heißer Tag wie heute einer von wenigen im Hochsommer eines Jahres. Monat Mai zählte der Kalender jedoch heute. Um meine empfindliche Haut vor der sengenden Sonne über dem Sichuan-Becken zu schützen, musste ich auch an diesem Tag in voller Montur raus auf die Landstraße. Ich wollte schnell weiter. In den langen Tunneln unter den Gebirgsketten vor dem Hochplateau während meiner nächsten Etappe würde ich sowieso wieder frieren. Dort dann hätte ich Sehnsucht nach der Sonne. Kilometer machen war wichtig. Nicht zu wissen, weswegen man Stunde um Stunde investieren mochte, um sich immer weiter von dem Einzigen, was einem wirklich etwas bedeutete zu entfernen. Es war wie ein Fluch. Gefangen zwischen Fernweh, Freiheit und Liebe. Die Pausen schmerzten. Zwingen musste ich mich auszuruhen. Rastlos und doch glücklich. Es lohnte sich wohl immer wieder etwas Neues zu wagen. Selbst so spät im Leben konnte man noch etwas finden, was einem ein noch nie dagewesenes Glück bescherte. Zündung an, Motor an, erster Gang und los. Unter meinem Helm wurde das eher klägliche Motorgeräusch meiner kleinen chinesischen Maschine zu dem was eine Motor-GP-Rennzische normalerweise von sich gäbe. Sechstausend, siebentausend, achttausend, neuntausend, Begrenzer, in die Zwei. Achttausend, neuntausend, in die Drei, in die Vier, Begrenzer, in die Fünf. Endorphine-Schübe. Ein solches Glück. Letztlich wurde ich Zeuge von Leuten die wirklich meinten: „Wenn Sterben, dann so. Wenn sich von irgendetwas erlösen müssen, dann als Geschoss bei Hundertzwanzig auf der Landstraße.“ Nur keinen anderen mit hineinreißen. Das täte man sowieso schon seinen Liebsten an. Ich selbst würde einen solchen Gedanken nie andenken. Es ginge gegen meinen Glauben. Es täte mir weh. Trotzdem besteht grenzenlose Freiheit nur in unseren Gedanken.
Lass mich dir sagen, dass du das absolut Wichtigste in meinem Leben geworden bist. So oft habe ich dich weinen lassen und so oft waren deine Tränen für mich unaushaltbar. Armes unschuldiges Ding. Wir schotten uns ab von all dem Übel, welches auf dieser Welt tagtäglich von Statten geht und leben unseren gemeinsamen Traum.